Anastasya Lysenko
Sprachwissenschaftlerin, St. Petersburg
Lingwa de Planeta ein Schritt auf dem Weg zur globalen Weltsprache
Beitrag auf der XI Konferenz der Internationalen Koalition "Für Humanismus!" 29.04.2007
Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren!
Heute wird Ihrer Aufmerksamkeit die künstliche Sprache der neuen Art "Lingwa de Planeta"vorgestellt. Diese Sprache wird seit über einem Jahr von einer Gruppe von Enthusiasten aus Sankt Petersburg gebildet und weiterentwickelt.
Die erste Frage, die gewöhnlich im Zusammenhang mit den Worten «künstliche Sprache» aufkommt, ist die Frage «Wozu?». In der Tat, wozu eine künstliche Sprache erschaffen, wenn auf der Erde bereits eine enorme Anzahl vielfältigster natürlicher Sprachen existiert. überdies sind einige von ihnen in erster Linie die englische Sprache so verbreitet, dass die Beherrschung dieser für nahezu jeden internationalen Verkehr vollkommen ausreichend scheint.
Die Antwort auf die gestellte Frage ist wohlbekannt. Doch, um Unklarheiten und Differenzen zu vermeiden erlaube ich mir, den Standpunkt der Autoren des Projektes zu verkünden.
Jede natürliche Sprache hat ihre eigene Geschichte. Eine Sprache, die mit der Geschichte und der Kultur des eigenen Volkes immer unzertrennlich verbunden ist. Die Sprache, die immer auf eine oder andere Art die Lebensweise und die Bräuche der Menschen wiederspiegelt, die sie sprechen. Das heißt, dass um sich eine Fremdsprache anzueignen man wenigstens eine leise Vorstellung über all ihre Bestandteile haben muss.
Außerdem hat jede natürliche Sprache ihre Träger Menschen, die in der Umgebung dieser Sprache aufgewachsen sind, die von der frühen Kindheit an sich ihre innere Logik, sowie Unrichtigkeiten und Inkonsequenzen, die ihr zu eigen sind, „eingesogen“ haben. Wenn der Mensch beginnt eine Fremdsprache im Erwachsenenalter zu lernen, wird das Beherrschen des Sprachniveaus, das auch nur ein bißchen dem Niveau des nativen Sprechers nahe kommt, ein im Grunde unerreichbares Ziel bleiben. Somit ist ein Ausländer beim Gespräch mit dem Muttersprachler praktisch gezwungen, sich für immer in der Lage eines Lernenden zu befinden, i.e. in der Lage eines weniger Informierten und eines in den Mitteln Einschränkten, seine Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Es ist klar, dass eine solche Ungleichheit kaum zur leichten und ungezwungenen Konversation beiträgt.
Und letztendlich, selbst wenn der Mensch, schon am Beginn des Sprachlernens sich nur das Ziel setzt, eine Reihe einfachster und für den Aufenthalt in einem fremden Land lebenswichtiger Phrasen zu sprechen und zu verstehen, wird er dennoch auf die Komplexität und nicht selten Verworrenheit der inneren Sprachstruktur stoßen. Besonders, wenn es sich um eine Sprache handelt, die zu einer dem Lernenden unbekannten Sprachfamilie gehört.
Somit wäre das Erlernen einer Fremdsprache eine in der Regel außerordentlich anstrengende, äußerst zeitaufwendige und dabei, im Allgemeinen, wenig versprechende Beschäftigung. Nichtsdestoweniger, um einen unbekannten Menschen, seine Gedanken und Wünsche verstehen zu können, um mit ihm eine gemeinsame Sprache finden zu können, muss man zunächst verstehenlernen, was er sagt. Das heißt, zu einem gewissen Grad, seine Sprache beherrschen.
Wir leben in einer Zeit, sehr geehrte Damen und Herren, in der Entfernungen, die geographische Entlegenheit der Menschen jede Bedeutung verliert. Ich kann den Hörer bei mir zuhause in Sankt Petersburg abnehmen und in wenigen Sekunden die Stimme des alten Bekannten hören, der vor 10 Jahren nach Kanada gezogen war. Ich kann mich ins Flugzeug setzen und in 2-3 Stunden erreiche ich jeden beliebigen Europäischen Flughafen. Schließlich kann ich meinen Computer einschalten, und in wenigen Sekunden bin ich virtuell an jedem beliebigen Ort des Globuses. Unter dem Aspekt stellt sich das Problem der internationalen Sprache, der Sprache, die jedem gleich leicht zugänglich und verständlich wäre, unabhängig von der Nationalität, dem Alter, der Konfession besonders dringend.
Es wäre anzunehmen, dass eine solche internationale Sprache von sich aus im Verlauf von natürlichen sprachlichen Prozessen entstehen wird. Ebenso, wie, zum Beispiel, die Pidgins und die kreolischen Sprachen, für die Kommunikation der Bevölkerung mit den Kolonialherren bestimmt, entstanden waren. Doch sollte man erkennen, dass es auf der Welt zu viele natürliche Sprachen gibt, und alle haben sie zu große Unterschiede im inneren Aufbau, in der Geschichte, in der Kultur, sie haben viel zu unterschiedliche Philosophien. Der Prozess solch einer unwillkürlichen Annäherung der Sprachen könnte sich in Jahrhunderte ziehen. Das bedeutet, dass die einzig mögliche Problemlösung die Bildung einer neuen, künstlichen internationalen Sprache sein kann.
An dieser Stelle jedoch hat der aufmerksamer Zuhörer das Recht sich zu fragen: wenn eine neutrale internationale Sprache gebraucht wird, warum wurde bis jetzt keine von den Hunderten in letzter Zeit neugeschaffener künstlicher Sprachen zu einer gekoren? Warum hat sogar Esperanto, das noch im XIX Jahrhundert geschaffen wurde und eine große Anhängerschaft in nahezu jedem Land der Erde hat, bis jetzt immer noch keine Möglichkeit mit den meistverbreiteten natürlichen Sprachen, und vor allem mit der englischen Sprache, zu bewerben?
Wir, Autoren des Projektes Lingwa de Planeta, glauben, dass die Antwort auf die gestellte Frage dahingeht, welche Ziele und Aufgaben sich die Schöpfer der künstlichen Sprachen stellten, nach welchen Prinzipien sie sich beim Zusammentragen des Wortschatzes und Schaffung der grammatikalischen Grundgesetze richteten.
Die Zielsetzung des Autors von Esperanto, Ludwig Samenhof, bestand in der Erschaffung einfacher und klarer künstlichen Sprache, die den internationalen Verkehr erleichtern könnte. Der Hauptprinzip, der die ganze lexikale und grammatikalische Sprachstruktur bildet ist der Prinzip der maximalen Einfachheit und Logik. Die Folgen dieses Hauptprinzips sind grammatikalische Regeln, die keine Ausnahmen kennen, auch nicht die Regeln der Wortbildung aus einem sehr begrenzten Satz von Ausgangsbausteinen den Stammwörtern. Die von Samenhof geschaffene Sprache entsprach der Anstrebung des Autors vollkommen: Esperanto ist in der Tat eine außerordentlich einfache und klare Sprache vom Standpunkt eines Europäers XIX Jahrhunderts. Und es hat zurecht den Platz einer weitverbreiteten internationalen Hilfssprache eingenommen. In der Zukunft kann Esperanto jedoch keineswegs die Stellung der allgemeinen internationalen Sprache beanspruchen, das heißt der Sprache, die für die Mehrheit der Menschen auf dem Planeten nahe werden könnte, gleich einfach zugänglich und verständlich sein könnte.
Bei der Schaffung der Sprache Lingwa de Planeta konstruieren wir nicht etwas, sondern versuchen etwa in die Zukunft zu schauen. So blicken wir in Gedanken durch den Vorhang, der uns von denen trennt, die in 100-200-300 Jahren leben werden, wir lauschen der Sprache, die unsere Nachkommen sprechen. Das Hauptziel, das wir vor uns stellen, ist die bestimmenden Haupteigenschaften dieser möglichen gemeinen Internationalsprache der Zukunft zu verstehen, voranzuahnen, an den Tag zu bringen und diese Eigenschaften in der von uns geschaffenen Sprache Lingwa de Planeta zu realisieren.
LdP besitzt zwei wichtigsten Unterscheidungsmerkmale. Zum einen, die Weltsprachen, auf welchen sie basiere, sind die Meistverbreiteten des Planeten und werden von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gesprochen, und die, allen Prognosen nach, ihren Einfluss in der Zukunft noch stärken werden. Zum anderen ist LdP naturalistisch. LdP ist bestrebt, eine Sprache lebender Wörter zu sein. Für das Grundvokabular entlehnen wir Wörter aus den verschiedensten Sprachen in einer nur unbedeutend geänderten Form. Diese Eigenschaften in ihrer Gesamtheit kann zum heutigen Tag keine andere künstliche Sprache vorweisen. Doch gerade diese Qualitäten könnten der künstlichen Sprache in der Zukunft erlauben, sich aus einer Hilfssprache, i.e Sprache zur Erleichterung der internationalen Kommunikation, zu der allgemeinen Weltsprache der Menschheit zu entwickeln. Wir bleiben den Behauptungen fern, dass LdP in der Form, in der sie heute existiert, die allgemeine Weltsprache der fernen Zukunft bildet. Doch Eines ist klar: die Sprache Lingwa de Planeta ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur allgemeinen globalen internationalen Weltsprache.
Zur Zeit sind schon alle grundlegenden Charakteristiken der zu schaffenden Sprache bestimmt. Die Grammatik wurde detailliert beschrieben, ein recht großes Vokabular wurde gebildet, eine Reihe von Fragmenten aus den vielfältigsten Werken wurde übersetzt, eine Reihe von Hörlektüren verschiedener kleiner Texte wurde aufgezeichnet. Diese Materialien können Sie auf unserer Webseite finden. In der allernächsten Zeit sind auch die Zusammenstellung des vollen Lehrgangs zur Sprache und die Ausgabe des ersten Buches über die Sprache Lingwa de Planeta, das die volle Grammatik der Sprache enthält, sowie ein ausführliches Wörterbuch und eine Reihe übersetzter und Originaltexte geplant.
Die Grammatik der Sprache Lingwa de Planeta ist recht einfach. Substantive, Adjektive, Verben und die Adverbien werden, in der Regel, im Text leicht erkannt, da sie unterschiedliche Endungen haben. Nahezu alle grammatikalischen Wortformen werden analytisch gebildet, das heißt mittels Anfügens der einen oder anderen speziellen Partikel.
Die Anwendung verschiedener grammatikalischer Formen im Text ist dem Prinzip der Notwendigkeit untergstellt: wenn diese oder jene grammatikalische Bedeutung aus dem Kontext klar wird, ist es überflüssig sie anzugeben. So ist die Nutzung von Tempusformen eines Verbes fakultativ, wenn es sich aus dem Kontext klar ergibt, um welche Zeitform es sich handelt. Die Nutzung von Pluralformen der Substantive ist unnötig nach den Zahlwörtern und den Wörtern, die eine Anzahl angeben.
Wie schon angedeutet, Lingwa de Planeta ist eine Sprache lebender Wörter. Zum Grundvokabular der Sprache gehören die meistverwendeten Wörter aus lebendigen romanischen, germanischen, slawischen und vielen östlichen Sprachen. Mehr noch, die Sprache ist für neue Vokabeln offen jeder von Ihnen kann auf Wunsch neue Wörter für das Vokabular vorschlagen, und sie haben alle Chancen ins Grundvokabular aufgenommen zu werden!
Es ist auch wichtig anzumerken, dass, ungeachtet des Reichtums des Wortschatzes, die Grammatik von Lingwa de Planeta über eine große Anzahl vielfältiger Mittel zur Wortbildung verfügt. Auf Basis jedes beliebigen Ausgangswortes, falls gebraucht, kann eine ganze Reihe gleichstämmiger, mit ihm verbundener Wörter gebildet werden.
Damit Sie eine Vorstellung über den Klang der Sprache bekommen können, schlagen wir Ihnen vor, jetzt ein Fragment eines Kapitels der Hörlektüre «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupery in der übersetzung auf Lingwa de Planeta anzuhören.
Wenn unser Projekt Ihr Interesse geweckt hat, erwarten wir Sie auf unserer Webseite www.lingwadeplaneta.info oder in unserem Livejournal http://community.livejournal.com/lingwadeplaneta/!
Vielen Dank fürs Zuhören,
Auf Wiedersehen!
Fo unitaa de Arda!
Für Einheit der Erde!
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